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Interview: Digitalisierung und BIM in Bauprojekten

Ob die BIM-Methode geeignet und sinnvoll ist, hängt von den projektspezifischen Rahmenbedingungen ab | Im öffentlichen Sektor stehen wir noch am Anfang. Die Digitalisierung als Megatrend prägt seit vielen Jahren unterschiedliche Industrien und Wirtschaftszweige in Deutschland. Das gilt zunehmend auch für den Bausektor. Durch den vermehrten Einsatz neuer digitaler Methoden können Prozesse im Bauwesen digitalisiert und optimiert werden. Eine von ihnen ist das sogenannte Building Information Modeling, kurz BIM. Im Interview erklären die zarinfar-Experten Tammo Freudenberg und Thierno Diallo was das genau ist, vor welchen Herausforderungen der öffentliche und der private Bausektor in puncto BIM stehen und ob es in jedem Falle sinnvoll ist, mit dieser Methode zu arbeiten.

Wie genau muss man sich die Umsetzung von Bauprojekten mit Hilfe von Building Information Modeling vorstellen?

Tammo Freudenberg: Building Information Modeling beschreibt eine digitale und kooperative Arbeitsmethodik. Zentraler Bestandteil ist ein digitales Bauwerksmodell. Dies beinhaltet neben geometrischen Daten auch alphanumerische Daten und Informationen, die für ein Bauprojekt wichtig sind. Das können bauteilspezifische Informationen über beispielsweise Material, Kosten oder Termine sein. All diese Daten werden über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks erfasst, verarbeitet und zwischen den Beteiligten ausgetauscht. BIM ist also keine Software und auch kein 3D-Modell, sondern eine Methode, die 3D-Modelle und Datenbanken nutzt. Das Bauen wird durch den Einsatz der BIM-Methode auch nicht verändert, sondern es werden Prozesse durch den Einsatz digitaler Technologien und Werkzeuge verbessert.

Seit wann wird in Deutschland mit BIM gearbeitet? Wie sieht es da insbesondere bei öffentlichen Bauprojekten aus?

Thierno Diallo: 2015 hat der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt den Startschuss für die BIM-Implementierung gegeben. Der Stufenplan Digitales Planen und Bauen sah eine stufenweise Implementierung der BIM-Methodik in öffentlichen Infrastrukturprojekten vor. Inzwischen ist für diese Projekte hierzulande der Einsatz von BIM verpflichtend vorgeschrieben. Mit dem Masterplan BIM für Bundesbauten gibt es seit Ende 2021 auch Vorgaben der öffentlichen Hand zur BIM-Nutzung im Hochbau auf Bundesebene und auch auf Länderebene gewinnt das Thema BIM zunehmend an Bedeutung.

Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da? Gibt es hier Unterschiede, zum Beispiel wenn man auf unsere europäischen Nachbarn schaut?

Thierno Diallo: Einige andere Länder schreiten da deutlich schneller voran. Das gilt zum Beispiel für die USA oder Singapur. Im europäischen Vergleich gelten Großbritannien oder Norwegen als Vorreiter.

Was sind die Gründe dafür?

Thierno Diallo: Die Arbeit nach der BIM-Methode mit allen Beteiligten im Projekt setzt auf allen Seiten die Nutzung von kompatibler Software und gewisse Kenntnisse für die Anwendung voraus. Bei der öffentlichen Auftragsvergabe gilt in Deutschland das Wettbewerbsgebot, das eine produktneutrale Ausschreibung vorsieht. Mit Blick auf die Vielzahl an verwendeter Software, deren Schnittstellen zum Teil noch nicht ausgereift sind, stößt man damit beispielsweise schnell auf Probleme. In anderen Ländern wird hingegen die Verwendung spezifischer und kompatibler Software vorgeschrieben. Das ist ein Thema unter anderen. Die öffentliche Hand arbeitet daran, mehr Orientierung zu geben und Standards zu setzen, die die praktische Umsetzung leichter machen sollen. Es gibt auch bereits erste VDI- und DIN-Normen, aber das ist erst der Anfang.

Tammo Freudenberg: Wir beobachten auch, dass in Deutschland bei vielen am Bau Beteiligten noch großer Schulungsbedarf besteht. Insbesondere in kleineren Unternehmen fehlt unserer Erfahrung nach häufig die Motivation der Führungsetage, die Umstellung voranzutreiben. Hemmnisse sind unter anderem die recht hohen Kosten für neue Software und Umschulungen. Diese stellen vor allem kleinere Unternehmen vor Probleme. Und manche trauen sich auch einfach noch nicht so richtig. Dafür stehen wie beratend zur Seite – auch um Ängste und Bedenken zu nehmen.

Was bedeutet das zum jetzigen Zeitpunkt konkret für den Einsatz von BIM in öffentlichen Bauprojekten?

Tammo Freudenberg: Trotz der Bemühungen der öffentlichen Hand befindet sich die BIM-Implementierung hier noch im Anfangsstadium. Ein integriertes Datenmanagement mit durchgängigem BIM-Einsatz über alle Projektphasen hinweg liegt noch in weiter Zukunft. In der Praxis heißt das, derzeit werden nur vereinzelte Prozesse mithilfe der BIM-Methodik umgesetzt.

Bei privaten Bauprojekten gibt es keine Vorgaben für die Nutzung der BIM-Methodik. Ist die Methode hier grundsätzlich immer und für jedes Projekt sinnvoll? Wie berät zarinfar diesbezüglich seine Auftraggeberinnen und Auftraggeber?

Tammo Freudenberg: Ob die BIM-Methode im Einzelnen geeignet und sinnvoll ist oder nicht, hängt von den projektspezifischen Rahmenbedingungen ab. Diese sollte man genau analysieren und abwägen. In vielen Projekten begleitet zarinfar Bauherrinnen und Bauherrn bereits in frühen Projektphasen. Hier bieten wir Workshops und zusätzliche Beratungsleistungen an, um gemeinsam und bei Bedarf auch mit der Nutzerin oder dem Nutzer zu evaluieren, ob sich ein BIM-Einsatz für das jeweilige Projekt anbietet. Im Fokus stehen dabei Fragen wie: Welche Projektziele werden verfolgt? Gibt es bereits feststehende Projektbeteiligte? Können diese Erfahrungswerte mit dem Einsatz der BIM-Methodik vorweisen? Bei welchen konkreten Prozessen eignet sich der BIM-Einsatz? Diesen Fragestellungen gehen wir auf den Grund mit der Zielsetzung, die BIM-Methodik nur dort einzusetzen, wo sich ein konkreter Mehrwert erzielen lässt.

Wie sieht es bei zarinfar mit der Umsetzung von Projekten nach BIM-Methodik aus? Was können Bauherrinnen und Bauherrn aus dem öffentlichen und privaten Sektor erwarten?

Thierno Diallo: Wir helfen mit unseren BIM-Beratungsleistungen nicht nur beim Projektstart, sondern stehen Bauherrinnen und Bauherrn mit unserem BIM-Management auch über den gesamten Projektverlauf zur Seite. Außerdem unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden durch Wissensvermittlung über BIM und andere Digitalisierungsthemen. Hier spielt die Dozententätigkeit von unserem Unternehmensgründer und FH-Professor Turadj Zarinfar eine zentrale Rolle.

Gibt es darüber hinaus Anwendungen? Zum Beispiel auch im eigenen Unternehmen?

Tammo Freudenberg: Ja. Wir setzen die BIM-Methodik und andere digitale Werkzeuge auch bei zarinfar ein, um interne Prozesse zu optimieren. So erstellen wir beispielsweise bereits im Zuge der Bedarfsplanung dreidimensionale Modelle und reichern diese mit Kosten- und Terminkennwerten an. Insbesondere bei Variantenuntersuchungen unterschiedlicher Nutzungskonzepte lässt sich hierdurch der Aufwand zur Erstellung von Machbarkeitsstudien sowie Kosten- und Terminprognosen reduzieren.

Zarinfar beschäftigt sich sehr stark mit und berät auch mit Blick auf das Thema Green Building. Lassen sich die Themen Nachhaltigkeit und BIM miteinander kombinieren?

Thierno Diallo: Absolut. Neben der Digitalisierung hat auch die Nachhaltigkeit durch Vorgaben der Bundesregierung für energieeffizientes Bauen immens an Wichtigkeit gewonnen und bringt im Bauwesen viel Entwicklungspotenzial mit sich. Uns ist es daher wichtig, auch dieses Thema frühzeitig und für einen optimalen Projektstart mit Bauherrin oder Bauherr zu diskutieren. Unsere Expertise bringen wir hier ebenfalls mit zielgerichteten Workshops zu Beginn von Projekten ein. Zur Untersuchung der Auswirkungen von Gebäudegeometrie und zu verwendender Materialien auf die Ökobilanzierung des Gebäudes greifen wir direkt auf unser BIM-Modell zu. Dies nutzen wir dabei auch für die Erstellung von Kosten- und Terminprognosen. Auch die modellbasierte Erstellung von Energiesimulationen bietet eine effiziente und automatisierte Möglichkeit die Themen Nachhaltigkeit und BIM miteinander zu kombinieren.

Die Fragen stellte Alexandra Stroh, Verantwortliche für die Unternehmenskommunikation bei der zarinfar GmbH.

Tammo Freudenberg ist erfahrener Projektsteuerer und als BIM-Berater zuständig für die BIM-Implementierung bei der zarinfar GmbH. Er hat einen Master of Engineering im Bereich Bauingenieurwesen an der San Diego State University und an der Technischen Hochschule Köln absolviert.

Thierno Diallo ist bei der zarinfar GmbH als BIM-Experte in der Projektsteuerung tätig. Er studierte im Fachbereich Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart und schloss sein Studium mit dem Bachelor of Science ab.

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